Wer war Maria Magdalena wirklich?
Maria Magdalena ist neben Mutter Maria die am meisten zitierte Frau in den Evangelien und doch verliert sich ihre Spur schnell in der Bibel. Unter den Frauen, die Jesus durch Galiläa begleiten, ist Maria Magdalena als einzige mit Namen genannt. Weitere Berichte ihrer unerschrockenen Präsenz als Augenzeugin handeln von der Kreuzigung, dem Begräbnis und der Auferstehung Jesu. Erst durch diese österliche Schlüsselszene, so schreibt es der Journalist Fred Langer, erhält das Christentum seine Schubkraft. Hunderte Millionen Christen feiern am Ostersonntag Jesu Wiederauferstehung!
Trotz der vielen Hauptrollen, die die Bibel ihr zuschreibt, ist das vorherrschende Bild der Lieblingsjüngerin Jesu in der westlichen Kirchentradition seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. ein verzerrtes: von der Geheilten, Jüngerin, Osterzeugin zur Sünderin und Büßerin. In Südfrankreich ist Maria Magdalena die Schutzpatronin der Provence, eine heilige Prophetin und Glaubensführerin des Ur-Christentums – sie ist das Wort, der Geist, die Kraft für viele Gläubige, die sie verehren… Und dies ist ganz besonders hier in der Provence spürbar.
Was die Bibel verschweigt.
Kam es so wie es kommen musste? In den vergangenen 130 Jahren gab es spektakuläre Papyri-Funde, die die Inhalte des Neuen Testaments auf den Kopf stellen! 1896 übergab Ägypten dem Ägyptischen Museum in Berlin die Fragmente des Evangelium der Maria (Magdalena). Darin wird Maria Magdalena als bedeutende Jüngerin in der Nachfolge Christi bestätigt. Obwohl mehrere Seiten des Evangeliums fehlen, ist der Dialog zwischen den Jüngern und Maria Magdalena nachvollziehbar. Darin gibt Maria Magdalena die ihr von Jesus übertragenen Botschaften weiter.
1945 gab es einen weiteren sensationellen Fund mit Folgen. Zwei Bauern fanden in einem geheimnisvollen Tonkrug in der Wüste Ober-Ägyptens, in Nag Hammadi 13 in Leder gebundene Bücher mit verbotenen Verkündigungen und geheimen frühchristlichen Texten, sogenannte Apokryphen. Das sind Schriften, die nicht in das Neue Testament aufgenommen wurden: unter ihnen das Thomasevangelium. Es lehrt: Ein Stück von Gott ist in uns allen, wir müssen es nur suchen und finden! Dagegen lässt das Johannesevangelium Jesus autoritäre Worte sagen: Ich bin das Licht der Welt!“ Wer ihm nicht folgt, sitzt in der Finsternis.
Die Frage bleibt: Warum mussten diese Schriften verschwinden?
Maria Magdalena: Jüngerin oder Sünderin?
Sie hat in der früh-christlichen Kirche eine wichtige Rolle gespielt,
soviel ist sicher.
Die mutige Jüngerin und Osterzeugin der Evangelien, die angesehene Überlieferungsträgerin der frühen Kirche, wird aber Schritt für Schritt von der Rolle der sündigen Hure verdrängt. Ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. und schließlich unter der Kirchenpolitik von Papst Gregor dem Großen verschmolzen um 591 vier biblische Frauen zu einer: Maria von Magdala, die von sieben Dämonen befreit und Zeugin der Kreuzigung und Auferstehung wurde, war auch die „Namenlose Sünderin“, die Jesus die Füße salbte (Lk 7, 36-50). Sie war auch Maria von Betanien, die Schwester von Marta und Lazarus (Joh. 12, 1-11). Sie wurde auch zur „Namenlosen Ehebrecherin“ gemacht, die von Jesus vor der Steinigung bewahrt wurde (Joh. 7, 53-8, 11).
Dem Ganzen setzte man noch eine Krone auf in Gestalt der Maria von Ägypten (4. Jh.). Die ehemalige Prostituierte aus Alexandria, die nach ihrer Bekehrung in der Wüste reumütig ihre Sünden büßte, wurde Maria Magdalena gleichgesetzt. Im Rückblick kann man diesen Umwandlungsprozess als einen von langer Hand angelegten und äußerst genialen PR-Schachzug der damaligen Kirchenväter bezeichnen. Was für einen Grund hatten sie, eine Frau wie Maria Magdalena so zu diffamieren?
Die Legende der Maria Magdalena.
Nach der Legenda aurea, dem Bestseller-Buch des Mittelalters, floh Maria Magdalena mit ihren Geschwistern Marta und Lazarus
sowie ihren engsten Gefährtinnen, Maria Salomé und Maria Jabobé mit ihrer Dienerin Sara und dem Jünger Maximin, etwa 40 n.Chr. vor ihren Widersachern aus Galiläa. In einem steuerlosen Boot führte sie ihre Reise übers Mittelmeer, bis sie an den goldenen Stränden des heutigen Fischerdorf Saintes-Maries-de-la-Mer wie durch ein Wunder unversehrt strandeten.
Während die Frauen Salomé, Jacobé und Sara in der Camargue zurückblieben, gingen Maria Magdalena, Marta, Lazarus und Maximin weiter nach Marseille, wo die Heilige über mehrere Jahre predigte. Später zog es Maria Magdalena noch tiefer in die Provence, in die Stille der Druidenwälder des Sainte Baume. In einer Felsengrotte soll sie 30 Jahre lang gelebt haben, gespeist von himmlischer Nahrung. Als ihr Ende kam, ließ sie nach ihrem Begleiter, dem Jünger Maximin schicken, der ihr die letzte Kommunion gab. Ihre Reliquien befinden sich in der Basilika in Sainte-Maximin-la-Sainte Baume.
Aus Lazarus wurde der 1. Bischof von Marseille, aus Maximin der 1. Bischof von Aix-en-Provence. Ihre Schwester Marta soll ein Kloster in der Nähe von Marseille gegründet haben. Als sie einmal nach Tarascon reiste, so die Legende, bezwang sie dort das Ungeheuer „Tarasque“ und befreite die Stadt von ihrem Schrecken.